Das Spitzmaulnashorn

Wilderei – der Nashorn-Krieg

Gerade das Nasenhorn, das den Kraftprotz selbst für Löwen unangreifbar macht, ist ihm zum Verhängnis geworden, seit die Gier des Menschen nach dieser Hornsubstanz geweckt wurde.

Statusdenken, Aberglaube und skrupellose Geldgier brachten in diesem Jahrhundert alle Arten an den Rand des Aussterbens, und es bedarf großer Anstrengung, dass es auch weiterhin Nashörner in Freiheit geben wird.

Allein in den letzten 25 Jahren wurden die drei asiatischen Nashornarten fast ausgerottet. Während sich der Bestand des Indischen Panzernashorns erholen konnte, ist eine Unterart des Javanashorns schon ausgestorben. Auch dem Spitzmaulnashorn droht die endgültige Ausrottung. Durch die Jagd schon sehr früh dezimiert, wurde bereits 1853 das vermeintlich letzte Spitzmaulnashorn in Südafrika geschossen. In den Steppen südlich der Sahelzone wurde das Spitzmaulnashorn ebenfalls am Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend ausgerottet. Das Westafrikanische Nashorn (D. b. longipes) listet die IUCN als „vom Aussterben bedroht, möglicherweise ausgestorben“. Während 2003 noch von möglicherweise 5 Exemplaren ausgegangen wurde, fanden sich bei einer Suche 2006 keine Exemplare der Unterart und man kam zu dem Schluss, dass die Unterart „aller Wahrscheinlichkeit nach“ ausgestorben ist. Von der Unterart D. b. bicornis wurden in Südafrika 2001 nur 50 und 2003 nur 71 Tiere gezählt während in Namibia 2003 der Bestand 1238 Exemplare betrug.

In den 1960ern verschwanden auch die ostafrikanische (D. b. michaeli) und die südzentralafrikanische Unterart (D. b. minor) durch zunehmende Wilderei aus weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets. Die IUCN stufte das Spitzmaulnashorn damals als gefährdet ein, später als bedroht und schließlich als stark bedroht. Trotzdem wurde es selbst noch zu einer Zeit, als Schutzmaßnahmen für andere Wildtiere längst griffen, immer seltener.

1970 gab es noch geschätzte 65.000 Spitzmaulnashörner, 1980 waren es bereits nur noch 15.000 Individuen, 1990 etwa 3.000, und 1995 war der Bestand schließlich auf nur noch 2.500 Tiere zusammengeschossen worden. In der Zentralafrikanischen Republik gab es noch 1980 einen gesunden Bestand von 3.000 Nashörnern, der binnen weniger Jahre restlos ausgerottet wurde. In Kenia haben die Wilderer 90% der Nashornpopulation ausgelöscht.

Schon einmal wären beide Arten im 20. Jahrhundert wegen ihrer begehrten Hörner fast vollständig ausgerottet worden. 1993 kamen sie unter den Schutz des Washingtoner Artenschutzabkommens, jeglicher Handel mit Nashornprodukten war damit verboten. Intensive Zuchtprogramme und Artenschutzprojekte vor allem in Südafrika sowie die Entdeckung des Rhinozeros als touristisches Wirtschaftsgut trugen dazu bei, dass sich die Tiere erfolgreich vermehrten. Nicht alle diese Nashörner leben allerdings in staatlichen Nationalparks, ein Teil der Tiere wird in privaten Reservaten gehalten, wo sie für den Export, für kleinere Safariparks und sogar für die Trophäenjagd gezüchtet werden. Doch der Kampf gegen die Wilderer hat in den letzten Jahren neue Dimensionen erlangt.

Bis vor einigen Jahren war ein ausgewachsenes Nashorn bis zu 60.000 Euro wert. Heute sind es nur noch rund 30.000 Euro, weil das Risiko gestiegen ist, dass man die Tiere durch Wilderei verliert.
Auf dem Schwarzmarkt in China dagegen bringt ein durchschnittlich großes, sieben Kilogramm schweres Horn gut 350.000 Euro ein. Selbst in Europa gehen die Wilderer nun auf Nashornjagd – in Museen. Mehr als zehn Fälle hat es im deutschsprachigen Raum bereits gegeben, dazu kommen Diebstähle in Frankreich, Italien, Portugal und Großbritannien. Noch ist zwar kein Nashorn in einem zoologischen Garten angegriffen worden, aber die Tierparks sind auf alles gefasst und haben ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

Fast alles gewilderte Horn wird über den Sudan geschmuggelt. In arabischen Ländern, speziell im Jemen und Oman gilt eine Dolchscheide als Statussymbol. Während früher nur reiche Scheichs sich so einen Krummdolch leisten konnten sind durch das Ölgeschäft viele Jemeniten reich geworden und können sich auch einen »richtigen Krummdolch« leisten. In der traditionellen asiatischen Medizin werden dem pulverisierten Horn heilende Kräfte bei unterschiedlichen Krankheiten nachgesagt, vor allem in fiebersenkenden Mitteln ist es ein wichtiger Bestandteil. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung wird es – bis auf einige Ausnahmen in der indischen Heilkunst und in der chinesischen Medizin – nicht als potenzsteigerndes Mittel verwandt. Zum Nachteil der Nashörner steigt aber auch hier die Zahl derer, die sich eine so teuere »Medizin« leisten können, an.

Nach intensiven Schutz- und Zuchtbemühungen wurden im Jahr 2010 in Afrika wieder 4.800 Spitzmaulnashörnern (unter anderem im Addo Elephant Park, Kruger-Nationalpark, Etoscha-Nationalpark, Hwange National Park, Mana Pools, Südluangwa, Tsavo-National Park, Serengeti) registriert.

Ein besonderes Problem bei der Erhaltung dieser Tierart stellen die Ansprüche der Bevölkerung an Lebensraum dar. Wie vieles andere Großwild, kann eine überlebensfähige Nashornpopulation nur in weiträumigen Parks und Schutzgebieten erhalten werden. Das ist fast unvereinbar mit der immer noch rücksichtslosen Erschließung von Land und der damit verbundenen Veränderung der Lebensräume durch den Menschen. Auch hier spielt der Tourismus eine immer tragendere Rolle, da er Geld in die Länder bringt, und es somit oftmals wesentlich attraktiver ist, Schutzgebiete neu auszuweisen, zu vergrößern oder zusammenzulegen, als das Land anders zu nutzen, oder die Tiere einfach nur abzuschießen. So wurde jüngst im südlichen Afrika der Great Limpopo Transfrontier Park gegründet, in dem Südafrika den Krüger Nationalpark mit dem simbabwischen Gonarezhou Park und zwei mosambikanischen Parks, dem Limpopo und dem Banhine National Parks zusammengelegt hat, so dass sie zu einem einzigen rund 100.000 km² großen grenzüberschreitenden Park zusammengeschmolzen sind.

Doch gerade dort gab es in den letzten Jahren einen alarmierenden Zuwachs an Wilderei. Laut dem Bericht, den eine Allianz aus Naturschutzgruppen jüngst bei einem Treffen des UN-Artenschutzabkommens CITES vorgelegt hat, sind seit mindestens 15 Jahren nicht mehr so viele Nashörner gewildert worden wie 2011 und 2012 (Bericht als PDF zum Download: www.cites.org/eng/cop/16/doc/E-CoP16-54-02.pdf).

Besonders Südafrika wird zum Schauplatz einer gnadenlosen und äußerst effizient organisierten Jagd auf Nashörner. Mindestens ein Nashorn täglich wird in Südafrika von Wilderern getötet. Während 2007 »nur« 13 Fälle von Wilderei in Südafrika verzeichnet wurden stiegen die Zahlen jährlich auf 83, dann 122, schließlich im Jahre 2010 auf 330, 2011 448 und 2012 auf 455, neuesten Angaben zufolge sogar 668 Nashörner, die gewildert wurden. Auch 2013 wurden bereits schon fünf tote Tiere gefunden.

Mehr als 14 Millionen Jahre reicht die Stammesgeschichte des Nashorns zurück. Doch wenn der derzeitige Trend anhält werden die letzten ca. 18.000 Spitz- und Breitmaulnashörner Afrikas nicht mehr lange überleben. Die Parkbesitzer greifen als Gegenwehr zu immer radikaleren Methoden: Sie enthornen die Tiere, eine Prozedur, die für die Tiere keine schmerzhaften Folgen hat, da Hörner wie Fingernägel nicht aus lebenden Zellen bestehen. Aber auch diese Methode brachte nicht den gewünschten Erfolg: Wilderer, die ein Nashorn ohne Horn aufspürten, erschossen es trotzdem. Zeitweise ging man sogar dazu über, einige Spitzmaulnashörner rund um die Uhr von bewaffneten Wildhütern bewachen zu lassen und in Südafrika streitet man über die neueste Idee zur Bekämpfung der Wilderei: ein Farmer hat zusammen mit einem Tiermediziner ein Gift entwickelt, welches den Verzehr von Horn für den Menschen tödlich macht, das Nashorn aber nicht gefährdet. Ob hier Mord mit Mord vergolten werden soll, wird heiß diskutiert.

Die Wildererbanden sind perfekt ausgerüstet: Mit modernen Nachtsichtgeräten spüren sie Nashörner aus mehreren Kilometern Entfernung auf, Hightech-Armbrüste und kleine, leichte Hubschrauber ermöglichen den Wilddieben eine nahezu geräuschlose Verfolgung ihrer Beute. Meist schlagen die Wilderer nachts zu. Haben sie ein Nashorn erspäht, dauert es nur wenige Minuten, bis sich die Säge durch das Fleisch des erschossenen Tieres arbeitet. Zurück bleibt ein tonnenschwerer Kadaver. Sein Kopf liegt mit der klaffende Wunde über der Nase in einer Blutlache. Die oft schlecht ausgestatteten Wildhüter sind gegen diese technische Übermacht meist chancenlos. In Südafrika ist daher nach der Eskalation der letzten Jahre bereits die Armee im Einsatz, sie kämpfen ihren Krieg gegen die Wilderei.